Wird die Apple-Serie Disclaimer mit Cate Blanchett den hohen Ansprüchen gerecht? (2024)

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Von: Bjarne Bock

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Der vielfach ausgezeichnete Top-Regisseur Alfonso Cuarón hat mit „Disclaimer“ seine erste eigene Serie für Apple TV+ ins Leben gerufen. Cate Blanchett, Kevin Kline, Sacha Baron Cohen und Lesley Manville sind in den Hauptrollen zu sehen.

Spoilerwarnung - diese Meldung kann Hinweise auf die Fortführung der Handlung enthalten!

Die Streaming-Plattform Apple TV+ ist zwar nicht für die größten Publikumserfolge bekannt, doch zumindest hat man meist die namhaftesten Beteiligten vor und hinter den Kulissen. So bietet nun auch die neue Miniserie Disclaimer (die am 11. Oktober mit den beiden ersten von insgesamt sieben Episoden online ging) ziemlich beeindruckende Stars auf: Cate Blanchett („Tár“, Mrs. America), Kevin Kline („Ein Fisch namens Wanda“), Sacha Baron Cohen („Borat“) und Lesley Manville (The Crown). Der mexikanische Filmemacher Alfonso Cuarón, bekannt für „Roma“, „Gravity“ oder „Children of Men“, gilt als Schöpfer des Ganzen.

So viel Alfonso Cuarón steckt in „Disclaimer“

Es handelt sich um die Serienadaption des gleichnamigen Romans von Renée Knight aus dem Jahr 2015. Cuarón - der mit fünf Oscars zu den angesehensten Regisseuren seiner Generation zählt - hat an dem psychologischen Thriller großen Gefallen gefunden. Dass er bei seinem ersten selbstständigen Serienprojekt gleich vollen Einsatz zeigen würde, indem er die Inszenierung und das Drehbuch aller Episoden höchstpersönlich übernimmt, ist durchaus eine Überraschung. Zumal dadurch die Erwartungen an „Disclaimer“ zusätzlich gestiegen sind. Das Ganze erinnert an Alex Garland mit Devs, Paolo Sorrentino mit The Young Pope, Nicolas Winding Refn mit Too Old to Die Young oder zuletzt Steven Zaillian mit Ripley.

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Nicht alle dieser genannten Exemplare haben restlos überzeugt. Wenn ein Serienmacher für alle wichtigen Aspekte allein verantwortlich zeichnet, macht er sich natürlich angreifbar. Wobei Cuarón hier sein wirklich hervorragendes Schauspielensemble als erste Verteidigungslinie herhalten lässt. Blanchett kriegt in den sieben Episoden als tragische Hauptfigur der Starjournalistin Catherine Ravenscroft so viel gutes Material, dass sie ihre komplette Bandbreite abrufen kann. Aber auch ein Kline hat großen Spaß daran, den alten Fiesling Stephen Brigstocke zu spielen. Und selbst ein Cohen überzeugt in der Rolle des entmannten Ehemannes. Was Cuarón selbst richtig oder falsch gemacht hat, besprechen wir gleich noch...

Wenn die Vergangenheit in die Gegenwart zurückkehrt

Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen: Die (Anti-)Heldin Catherine wird in der Vergangenheit porträtiert von Leila George (Animal Kingdom), bei der es sich übrigens um die Tochter von Vincent D'Onofrio handelt. Die jüngere und die ältere Catherine könnten sich kaum mehr von einander unterscheiden, was nicht zuletzt mit ihren Lebensumständen zu tun haben dürfte. Vor 20 Jahren im Sommerurlaub in Italien war Catherine viel unausgeglichener. In ihrem heutigen Leben in London hat sie zwar mehr Stress, doch ihre Karriere füllt sie mehr aus als die Rolle der Mutter und Hausfrau.

Wir lernen die Gegenwarts-Catherine am absoluten Zenit kennen: Für ihren letzten Dokumentarfilm wird sie mit dem wichtigsten Preis ihrer Branche ausgezeichnet. Alle bewundern sie und auch privat läuft es mit ihrem Ehemann Robert (Cohen) ziemlich rund. Nur ihr Sohn Nicholas (Kodi Smit-McPhee) macht ihr Sorgen, da er mit 25 noch immer keine konkreten Ziele verfolgt. Ihn vor die Tür zu setzen, ist vielleicht die beste Lösung, damit er endlich erwachsen wird. Da Robert eher den schwächeren Part in der Familie einnimmt, bleibt es an Catherine hängen, ein bisschen strenger zu sein.

Catherine hat alles im Griff, doch dann fällt ihr eines Tages ein Buch in die Hände: „The Perfect Stranger“. Sie verschlingt den Roman in nur einer Nacht und fühlt sie danach, als wäre sie vom Zug überfahren worden. Tatsächlich wurde sie von ihrer eigenen Vergangenheit überrollt. Der anonyme Autor scheint ihre gefährlichsten Geheimnisse zu kennen und nun in Form einer vermeintlichen Fiktion mit der ganzen Welt zu teilen. Falls Catherines Mann oder ihr Sohn jemals erfahren, dass diese schreckliche Geschichte unfreiwillig von ihr inspiriert wurde, wäre alles ruiniert. Wer hat sie ins Visier genommen?

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Eine Serie, die funktioniert wie ein Roman

Cuarón ist es mit „Disclaimer“ gut gelungen, das Gefühl, einen Roman zu lesen, auf die Bildschirme zu bringen. Dabei hilft etwa die Erzählerin Indira Varma. Mit dem Voiceover lässt sich die Vielschichtigkeit der Figuren erstaunlich effizient etablieren. Auch der narrative Aufbau ist von Cuarón gut durchdacht worden: Nach jeder Szene macht es bei irgendeiner Unklarheit Klick. Die Puzzlestücke setzen sich elegant zusammen, so dass man sukzessive die komplexen Vernetzungen versteht. Vor allem wird nicht zu viel ausbuchstabiert, trotz des Einsatzes der Erzählerin.

Im Skript problematisch sind eher andere Aspekte; allen voran die ausgedehnte Länge der Miniserie. Gefühlt hätten es auch fünf statt sieben Episoden sein können. Zumal Cuarón - wie schon viele der anderen großen Filmregisseure vor ihm - das Medium Serie nicht ganz begreift. Besonders mit Blick auf die Funktion der einzelnen Folgen. Er nummeriert sie einfach mit römischen Zahlen durch, was schon andeutet, dass er sie eher als Kapitel betrachtet (eben passend zum Roman). Dadurch verpasst er die Chance, jeder Episode ein eigenes Überthema zu geben. So sticht keine Episode wirklich hervor.

Ganz starkes Handwerk, aber nichts Geniales

Die größte Stärke von „Disclaimer“ ist neben dem Schauspiel erwartungsgemäß die Inszenierung Cuaróns. Die Serie hat einen extrem schicken Look, was wenig verwundert, wenn man weiß, dass mit Emmanuel Lubezki und Bruno Delbonnel zwei der besten Kameramänner der Welt beteiligt waren. Visuell sind vor allem die Gegenwartsszenen sehr düster angehaucht, was Gelegenheit für brillante Lichtspiele lässt. Und obwohl die meisten Szenen drinnen spielen, steckt auch viel Bewegung in den Bildern - was ein Markenzeichen Cuaróns ist.

Auf der italienischen Vergangenheitsebene hat man sich bewusst für einen ganz anderen Stil entschieden. Hier sorgt die Sonne als natürliche Lichtquelle für eine sehr viel wärmere Atmosphäre. Cuarón spielt in einer Episode mit seiner Lieblingsmuse, dem Meer. Als eine Figur zu ertrinken droht, spürt man die unheimliche Kraft des Regisseurs. Denn man kriegt selbst das Gefühl, keine Luft mehr zu kriegen und unterzugehen. Doch genauso sinnlich fallen auch die schöneren Momente aus. Ohne zu viel zu verraten, kann man sicherlich den Claim aufstellen, dass „Disclaimer“ die erotischsten Sexszenen dieses Serienjahres zu bieten hat.

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Ein, zwei kleine Ausrutscher leistet sich Cuarón aber doch in seiner Königsdisziplin, der Inszenierung. Vor allem bei der Musikauswahl wundert man sich ab und zu. Muss der Schlager „Ti amo“ wirklich sein? Ähnlich unangenehm wird es, wenn soziale Medien in der Erzählung eine Rolle spielen. Aber Memes waren in Serien seltsamerweise noch nie sehr witzig. Woran liegt das eigentlich? Funktionieren Memes einfach nicht im Schauspiel? Oder verstehen Serienmacher nicht, wie Internetkultur auszusehen hat?

Steigende Spannung mit einem Twist

Da das Serienfinale von „Disclaimer“ erst am 15. November erscheint, wollen wir natürlich nicht verraten, wie die Geschichte zu Ende geht (obwohl die Buchvorlage eh längst vorliegt). Hier ist nur interessant zu erwähnen, dass Cuarón mit einigen Tricks arbeitet, um gewisse Gefühle gegenüber einigen Figuren zu wecken, die später durch einen sehr cleveren Twist völlig neu beleuchtet werden. Hat man am Anfang noch den Eindruck, es geht um das persönliche Schicksal einer Frau, spielen später noch viel größere gesellschaftliche Zusammenhänge eine Rolle.

Die letzte Episode wird sicherlich für Diskussionen sorgen, aber auf alle Fälle lohnt es sich, bis zum Schluss dranzubleiben. „Disclaimer“ von Apple ist eine sehr gut gemachte Serie, die zweifelsohne fesseln kann. Ob die Erwartungen erfüllt werden konnten oder nicht, müssen am Ende alle Zuschauer*innen für sich selbst beurteilen. Denn in Anbetracht der beteiligten Starpower rund um das Mastermind Cuarón und die Hauptdarstellerin Blanchett waren diese vielleicht unerreichbar hoch.

Von uns gibt es abschließend für die Miniserie vier von fünf Kameras.

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