Serie „Disclaimer“ mit Cate Blanchett: Heiße Affäre, ungeklärte Fragen (2024)

72899606041995Serie „Disclaimer“ mit Cate Blanchett: Heiße Affäre, ungeklärte Fragen (1)Serie „Disclaimer“ mit Cate Blanchett: Heiße Affäre, ungeklärte Fragen (2)

Hinter dem Glamour einer erfolgreichen TV-Journalistin stehen unangenehme Wahrheiten. Aber welche genau? Und für wen? Das ist auch eine Klassenfrage.

Serie „Disclaimer“ mit Cate Blanchett: Heiße Affäre, ungeklärte Fragen (4)

Von Carolina Schwarz

Es dauert maximal drei Episoden bis man als Zuschauer_in trotz verschiedener Erzählstränge und Zeitebenen das Gefühl hat: Ich habe alles durchschaut.

Catherine (Cate Blanchett) bekommt am Abend, nachdem sie gerade als TV-Journalistin ausgezeichnet worden war, ein noch unveröffentlichtes Buch nach Hause geschickt. Sofort beginnt sie zu lesen und stockt schon beim „Disclaimer“: „Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen ist kein Zufall.“ Schnell stellt sie erschreckt fest, dass die Geschichte von ihr handelt. Einer Frau, die ihr Kind und ihren Mann vernachlässigt, im Italien-Urlaub eine heiße Affäre mit dem jungen Jonathan (Louis Partridge) beginnt. Am Ende dieses Urlaubs ist Jonathan tot – ertrunken im Mittelmeer.

Niemand sollte jemals davon erfahren, es war ihr am besten gehütetes Geheimnis. Doch auf einmal taucht dieser Roman überall auf: bei ihrem Sohn (Kodi Smit-McPhee) im Elektroladen, bei ihrem Ehemann (Sacha Baron Cohen) auf dem Schreibtisch, bei ihrer Lieblingsbuchhändlerin in der Auslage oder an ihrem Arbeitsplatz für alle Kolleg_innen. Denn Jonathans Vater Stephen (Kevin Kline), ein verbitterter älterer Lehrer, will Jahre später Rache nehmen.

Ungeklärte Fragen gibt es nach der knappen Hälfte der Serie kaum. Nur das Wissen, dass noch vier weitere einstündige Episoden folgen werden, legt den Verdacht nahe, dass doch nicht alles so sein kann, wie es auf den ersten Blick scheint.

Aussagekräftige Settings

Diese fehlende Unklarheit führt dazu, dass der Thriller keine Spannung im klassischen Sinne aufbaut. Umso mehr bleibt beim Zuschauen Raum für die Details: ein teurer Rotwein, der kreisförmig im Glas geschwenkt wird, die Katze, die einen frisch gebratenen Fisch ableckt, oder die Füchse, die durch (un)gepflegte Vorgärten und Straßen spazieren. Details, die nur der ästhetischen Inszenierung oder auch der Handlung dienen?

„Disclaimer“

die ersten zwei Folgen ab 11. Oktober, danach wöchentlich eine neue Folge bei AppleTV

Eine Frage, die nicht immer eindeutig zu beantworten ist, denn beizeiten scheint die Ästhetik der wahre Hauptdarsteller der Serie. Kein Wunder, schließlich ist der Regisseur Alfonso Cuarón („Pans Labyrinth“, „Roma“) die Inszenierung für die große Leinwand gewohnt, „Disclaimer“ ist seine erste Serie. Dafür hat er sich aussagekräftige Settings überlegt: Das Londoner Townhouse des Ehepaars Catherine und Robert ist fast zu schön, um darin zu wohnen. Die Kleidung und die Wohnung voller krabbelnder Insekten des Lehrers Stephen scheinen dagegen fast schon zu dreckig, um sich darin auch nur kurz aufzuhalten

Die Bilder sind stimmig, aber kratzen am Klischee und rutschen manchmal in die Überzeichnung. Wie wenn der betrogene Ehemann mit der Whisky-Flasche im Arm im Auto schläft oder die junge Assistentin von Catherine ihr wütend hinterher schreit: „Du bist gecancelt.“

Doch diese Szenen bleiben in einer ansonsten bemerkenswerten filmischen Umsetzung die Ausnahme. Darüber hinaus besticht sie mit außergewöhnlichen Perspektiven. So, wenn Catherine minutenlang durch den Briefschlitz einer Haustür versucht, mit Stephen zu sprechen und immer nur ihr Mund oder ihre Augen zu sehen sind. Dazu gibt es drei unterschiedliche Erzählerstimmen aus dem Off, die Kameraführung und das Lichtspiel ändern sich je nachdem, welche Protagonist_in gerade zu sehen ist.

Eine Umsetzung, die das Thema der Serie unterstreicht. Denn in dem Thriller geht es nicht um eine klassische Ermittlungsgeschichte, sondern um die Frage der Wahrheit. Denn wer von allen erzählt die Wahrheit? Niemand, alle oder hat einfach jeder und jede seine eigene?

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei?Jetzt unterstützen

Themen#Thriller#Cate Blanchett#TV-Serien#Serien-Guide#Streaming

FeedbackKommentierenFehlerhinweis

Diesen Artikel teilen

Mehr zum Thema
„Tár“ mit Cate BlanchettSag, was fühlst du?

In „Tár“ lässt Regisseur Todd Field seine Hauptdarstellerin Cate Blanchett als Dirigentin eine komplexe Figur ausleben. Man sieht ihr gern dabei zu.

VonTim Caspar Boehme

„Roma“-Darstellerin AparicioWie Filme die Welt verändern

Yalitza Aparicio hat gute Chancen auf einen Oscar. Als Indígena trägt sie zu einem neuen Selbstverständnis in Mexiko bei.

VonWolf-Dieter Vogel

Netflix-Film „Roma“ von Alfonso CuarónVerdammtes Hausmädchen!

In der Netflix-Produktion „Roma“ reflektiert der Regisseur seine Kindheit in Mexiko-Stadt. Der Venedig-Gewinner kommt jetzt in die Kinos.

VonEva-Christina Meier

taz in der AppJetzt kostenlos testenLesen Sie die taz in der App 6 Wochen lang – und das ohne jede Kosten. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört. 100% konzernfrei.

Jetzt bestellen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!

meistkommentiert

1

Die taz präsentiert ihre neue WebseiteHabemus Relaunch!

2

Palästina in der Schwarzen CommunityApartheid? Echt jetzt?

3

Shell-Jugendstudie 2024Noch ist die Jugend nicht verloren

4

Organspende bei HerzstillstandDie Definition von Tod

5

Lob auf den PkwJa, Autofahren macht glücklich

6

Plattform mitgeldundverstand.de„FDP-Inhalte“ getarnt als Bildung
Serie „Disclaimer“ mit Cate Blanchett: Heiße Affäre, ungeklärte Fragen (2024)
Top Articles
Latest Posts
Recommended Articles
Article information

Author: Lakeisha Bayer VM

Last Updated:

Views: 5522

Rating: 4.9 / 5 (69 voted)

Reviews: 92% of readers found this page helpful

Author information

Name: Lakeisha Bayer VM

Birthday: 1997-10-17

Address: Suite 835 34136 Adrian Mountains, Floydton, UT 81036

Phone: +3571527672278

Job: Manufacturing Agent

Hobby: Skimboarding, Photography, Roller skating, Knife making, Paintball, Embroidery, Gunsmithing

Introduction: My name is Lakeisha Bayer VM, I am a brainy, kind, enchanting, healthy, lovely, clean, witty person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.