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Für ältere Menschen und Personen mit Pflegebedarf ist eingeschränkte Mobilität eine Herausforderung: Alltägliche Bewegungsabläufe, wie etwa aus dem Bett aufzustehen oder sich anzuziehen, fallen ihnen schwer. Mobilisation kann ein Lösungsansatz sein, ihre Beweglichkeit aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern.
pflege.de zeigt Ihnen, wie Sie mit gezielten Mobilisationsübungen dazu beitragen können, die Selbstständigkeit Ihres pflegebedürftigen Angehörigen zu fördern und gesundheitliche Risiken zu minimieren. Neben praktischen Tipps und Anleitungen erfahren Sie außerdem, wie das Konzept der Kinästhetik Sie dabei als Pflegeperson körperlich entlasten kann.
Inhaltsverzeichnis
Mobilisation: Definition
Der Begriff Mobilisation umfasst unterschiedliche Maßnahmen zur Aktivierung und Bewegungsförderung von Menschen, die in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind.
Sogenannte Mobilisationsübungen zielen darauf ab, die Muskelfunktion und die Beweglichkeit der Gelenke zu verbessern. Damit unterstützt die Mobilisation in der Pflege Betroffene dabei, ihre Mobilität aufrechtzuerhalten oder zu verbessern.
Welche Maßnahmen oder Elemente gehören zur Mobilisation?
Es gibt zahlreiche Übungen, die Sie zur Mobilisation Ihres pflegebedürftigen Angehörigen einsetzen können. Allgemein lassen sie sich unterteilen in Maßnahmen:
- bei denen der Betroffene aufgesetzt wird,
- bei denen er vom Bett in den Stuhl oder Rollstuhl transferiert wird,
- die das Gehen trainieren oder
- die die selbstständige Körperpflege des Pflegebedürftigen unterstützen.
Für Sie als Pflegeperson erfordert es viel Geduld und Zeit, wenn Sie die Beweglichkeit Ihres Angehörigen trainieren wollen. Eine Investition, die sich jedoch auf lange Sicht für alle Beteiligten lohnt.
Etwa dann, wenn Sie durch die Aktivierung Ihres pflegebedürftigen Angehörigen kostbare Zeit einsparen können, weil er selbstständiger wird und viele Bewegungen wieder ohne Ihre Unterstützung ausführen kann.
Ziele der Mobilisation in der Pflege
Mobilisation soll die Mobilität von Menschen mit Bewegungseinschränkungen erhalten oder im besten Fall verbessern. Dafür werden gezielt Mobilitätsübungen eingesetzt. Zur Mobilitätsförderung gehören aber auch die anpassende Gestaltung der Umgebung, mehr Bewegung und das Einsatz von Hilfsmitteln. (1)
Mit diesen Maßnahmen verfolgt die Mobilisation drei wesentliche Ziele:
- Bessere Beweglichkeit: Die regelmäßige Mobilisation soll die Mobilität fördern, also die Beweglichkeit des Betroffenen maximal unterstützen. So soll er die Lage seines Körpers selbst verändern und sich in seiner Umgebung wieder so frei wie möglich bewegen können.
- Prophylaxe: Eine frühzeitige und regelmäßige Mobilisation soll Symptomen und Erkrankungen vorbeugen, wie zum Beispiel Wundliegen (Dekubitusprophylaxe), Knochenbrüchen oder Thrombosen. (2)
- Selbstständigkeit & Selbstwertgefühl fördern: Ein weiteres Ziel der Mobilisation ist die Förderung der Selbstständigkeit. Der Erhalt der Ressourcen und das Selbstwertgefühl sowie die Unabhängigkeit des Pflegebedürftigen sollen gesteigert werden. Das kann sich positiv auf seinen Gemütszustand auswirken und ihn zusätzlich motivieren.
Mobilität zu erhalten und fördern sind somit wichtige Aufgaben in der Pflege, um die verbliebene Selbstständigkeit der Pflegebedürftigen zu erhalten. (3)
Grundprinzipien der Mobilisation
Wer Pflegebedürftige mobilisiert, sollte folgende Grundprinzipien beachten: (4)
- Kommunikation: Für eine erfolgreiche Mobilisation sind Absprachen wichtig. Klären Sie den Pflegebedürftigen über Sinn und Zweck der Mobilisationsübung auf.
- Ressourcen: Nutzen Sie die vorhandenen körperlichen Möglichkeiten des Betroffenen und beziehen Sie ihn in die Bewegungsplanung mit ein.
- Sicherheit: Sichern Sie körperanliegende Hilfsmittel (wie beispielsweise einen Katheter bei Harninkontinenz oder Sonden bei enteraler Ernährung) so, dass diese die geplante Bewegung nicht behindern. Auch die Umgebung muss an die Mobilisation angepasst sein: Zum Beispiel sollten Sie vor Gehübungen Stolperfallen wie lose Kabel oder Teppiche entfernen. Auch sollte der Pflegebedürftige bei jeder Übung mit Bodenkontakt gutsitzende und rutschfeste Schuhe tragen.
- Hilfsmittel: Nutzen Sie Hilfsmittel wie das Rutschbrett oder Haltegriffe, die auf Ihre Bedürfnisse und die des pflegebedürftigen Angehörigen angepasst sind.
- Rücken schonen: Arbeiten Sie rückenschonend, heben Sie beispielsweise nicht aus dem Rücken heraus.
- Impuls und Bewegung: Der Pflegebedürftige entscheidet, in welche Richtung er sich bewegen möchte oder auf welcher Seite er aufstehen möchte. Das besprechen Sie gemeinsam mit Ihm. Geben Sie dann klare Aufforderungen und Impulse für jede einzelne Bewegung.
- Techniken: Wenden Sie auf den Pflegebedürftigen abgestimmte Techniken wie beispielsweise Maßnahmen aus der Kinästhetik und/oder dem Bobath-Konzept an.
Kinästhetik in der Pflege: Definition
Kinästhetik (griech. Kinesis = Bewegung und griech. Aisthesis = Empfindung) ist die Lehre von Bewegung und der Bewegungsempfindung. Das Konzept stellt die Nutzung der eigenen Körperbewegung und der des Gegenübers in den Mittelpunkt. Auf diese Weise werden Bewegungsabläufe so kraftsparend und einfach wie möglich gestaltet. (6)
Kinästhetik ist keine bestimmte Technik. Die Anwendung von kinästhetischen Grundsätzen ermöglicht vielmehr ein effektives Zusammenspiel zwischen Ihnen und dem Pflegebedürftigen. (5)
Sie können die kinästhetischen Grundsätze optimal in die täglichen Mobilitätsübungen einbinden. Der Vorteil: Mit den Methoden der Kinästhetik stemmen Sie bei der Mobilisation Ihres pflegebedürftigen Angehörigen das fremde Gewicht nicht selbst, Sie verlagern oder verschieben es vielmehr.
Die Bewegungen nach kinästhetischen Grundsätzen werden als rund und langsam beschrieben, was ein harmonisches Zusammenspiel bewirken soll.
Die Berücksichtigung der Kinästhetik in der Pflege ist sinnvoll, weil Sie damit (5)
- die Bewegungsmöglichkeiten des Pflegebedürftigen unterstützen können und
- Ihre eigene Bewegung möglichst kraftsparend, gesund und flexibel gestalten können.
(Grund-) Konzepte der Kinästhetik
In der Kinästhetik geht es darum, gemeinsam Bewegungsabläufe zu erlernen und zu entwickeln. Diese Abläufe sollten Sie auf die individuellen Fähigkeiten des Pflegebedürftigen abstimmen. Dadurch wird die Mobilisation sowohl für Sie als Pflegeperson als auch für den Pflegebedürftigen leichter und angenehmer.
Eine erste Orientierung kann das Konzeptsystem der Kinästhetik bieten. Diese sechs Konzepte der Kinästhetik stellen Grundannahmen über den menschlichen Körper an.
Zum Beispiel unterteilt die Kinästhetik den menschlichen Körper in Massen und Zwischenräumen und leitet den Grundsatz ab: „Massen fassen und Zwischenräume spielen lassen“.
Eine weitere Unterscheidung ist beispielsweise die in verschiedene menschliche Bewegungen. Die Kinästhetik unterscheidet hier zwischen Beugen, Strecken und Drehen. Alle drei Elemente gemeinsam angewandt ergeben sogenannte spiralige Bewegungen – das erleichtert die Mobilisation und ist weniger anstrengend. (5)
Weitere Konzepte aus dem Konzeptsystem der Kinästhetik sind das der Interaktion, der menschlichen Funktion, der Anstrengung sowie das der Umgebung.
Ziele der Kinästhetik
Das Ziel der Kinästhetik ist es, Bewegungsabläufe des Pflegealltags so natürlich und kraftsparend wie möglich zu gestalten – sowohl für Pflegebedürftige als auch deren pflegende Angehörige. (5)
Während in älteren Pflege-Techniken Hebel- und Tragekräfte angewandt wurden, setzt man mit dem kinästhetischen Konzept eher Zug- und Druckkräfte ein. So wird dem Pflegebedürftigen ermöglicht, an der jeweiligen Bewegung „mitzuarbeiten“. (5) Weil der Pflegebedürftige seine verbleibenden Ressourcen nutzt, unterstützt die Anwendung der Kinästhetik auch dessen Selbstständigkeit. (6)
Vorteile einer Mobilisation nach Kinästhetik
Kinästhetik in der Pflege kann zu jeder Zeit stattfinden: bei jeder Alltags- und Pflegehandlung, jeder Fortbewegung oder bei der Positionierung (veraltet: Lagerung) im Bett.
Das Konzept Kinästhetik bedeutet, seinen Körper auf drei Ebenen wahrzunehmen:
- Körperlich: Viele Pflegebedürftige können dank Kinästhetik wieder erfahren, sich trotz Einschränkungen so weit wie möglich selbst zu bewegen.
- Seelisch: Kinästhetik ermöglicht Selbstkontrolle, erhöht das Körperbewusstsein und fördert so auch eine gewisse Unabhängigkeit des Pflegebedürftigen. Er kann und darf etwas tun.
- Sozialverhalten: Wer sich selbst bewegen kann, hat eine Chance, am sozialen (familiären) Leben besser teilhaben zu können.
Kinästhetische Mobilisationsübungen: Praxisbeispiel
Folgendes Praxisbeispiel aus dem Alltag erläutert, wie Sie kinästhetische Grundsätze in der häuslichen Pflege umsetzen können.
Anleitung: Mobilisation im Bett – Bewegung kopfwärts im Bett unter Mithilfe des Pflegebedürftigen
Bettlägerige Pflegebedürftige müssen regelmäßig mobilisiert beziehungsweise positioniert werden, zum Beispiel, um Wundliegen vorzubeugen (Dekubitusprophylaxe). Die Bewegung kopfwärts nach oben kommt daher im Pflegealltag häufig zum Einsatz. Achten Sie bei der Mobilisation Ihres pflegebedürftigen Angehörigen allerdings besonders auf eine rückenschonende Ausführung.
Ausgangslage: Ihr pflegebedürftiger Angehöriger liegt auf dem Rücken im Bett und möchte Richtung Kopfende bewegt werden.
- Sprechen Sie mit Ihrem Angehörigen und erklären Sie das Vorgehen. Stellen Sie wenn möglich zunächst das Pflegebett auf Ihre Hüfthöhe ein, machen Sie es von allen Seiten aus zugänglich und entfernen Sie überflüssige Decken sowie Kissen.
- Stehen Sie auf einer Seite des Bettes. Bitten Sie nun Ihren pflegebedürftigen Angehörigen darum, sein gegenüberliegendes Bein aufzustellen. Wenn er das nicht mehr kann, übernehmen Sie das: Mit einer Hand greifen Sie dabei zur Wade, mit der anderen zum Fuß. Führen Sie nun den gegenüberliegenden Arm Ihres pflegebedürftigen Angehörigen, zu der Schulter, die auf Ihrer Seite ist. Der andere Arm liegt neben seinem Körper.
- Die Ihnen gegenüberliegende Körperseite ist nun frei und hat keinen Bettkontakt mehr. Mit der einen Hand greifen Sie nun an die frei gewordene Schulter, mit der anderen Hand umfassen sie die frei gewordene Seite des Beckens. Jetzt drehen Sie Ihren Angehörigen langsam ein Stück auf die Seite.
- Bewegen Sie nun Ihren pflegebedürftigen Angehörigen an Schulterblatt und Becken in Richtung Kopfende. Ihr Unterarm kann diese Bewegung am Oberschenkel Ihres pflegebedürftigen Angehörigen unterstützen.
- Anschließend drehen Sie Ihren Angehörigen wieder zurück in die Rückenlage und legen seinen Arm sowie das Bein wieder ab.
Herausforderungen & Tipps
Je nachdem, wie mobil oder bewegungseingeschränkt Ihr pflegebedürftiger Angehöriger ist, treten bei der Mobilisation verschiedene Herausforderungen auf. Zum Beispiel können Sie oder Ihr Angehöriger Schmerzen empfinden oder Ihr Angehöriger entwickelt Ängste. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Sie diesen Herausforderungen begegnen können:
- Sprechen Sie mit Ihrem pflegebedürftigen Angehörigen über die Herausforderungen.
- Nutzen Sie Hilfsmittel.
- Passen Sie den Wohnraum an die Pflegesituation an.
- Bilden Sie sich im Bereich Mobilisation und Kinästhetik weiter.
Kommunikation & Umgang mit Pflegebedürftigen
Erfolgreiche Mobilisation und eine respektvolle Kommunikation gehen Hand in Hand. Nicht zuletzt, weil Sie bei der Mobilisation nach kinästhetischen Grundsätzen auf die Mithilfe Ihres pflegbedürftigen Angehörigen angewiesen sind.
Behalten Sie allerdings neben der Kommunikation stets auch im Blick, wie der Zustand Ihres pflegebedürftigen Angehörigen ist und inwiefern er an der Mobilisation teilhaben kann: (4)
- Welchen Eindruck macht der Pflegebedürftige auf Sie? Geht es ihm gut? Ist sein Kreislauf stabil? Hat er Schmerzen?
- Kennen Sie seine aktuellen Bewegungsmöglichkeiten und -ressourcen?
- Wissen Sie, wie viel Kraft er hat und wie er die Bewegungen unterstützten kann?
- Versteht er Ihre Anweisungen und Aufforderungen zur Bewegung?
- Sind körperanliegende Hilfsmittel (wie Katheter, Sonden, etc.) so angebracht, dass sie die Mobilisation nicht behindern?
Hilfsmittel, die Mobilisation erleichtern
Sogenannte Mobilisationshilfen sind kleine Hilfsmittel zur Mobilisation. Sie sind sehr vielseitig und lassen sich miteinander kombinieren. Es gibt zum Beispiel: (6)
- Aufrichthilfen, die Sie beim Aufrichten, Hinsetzen und Aufstehen im Bett unterstützen.
- Hebe- und Umsetzhilfen, wie etwa die Drehschreibe, die Ihnen das Umsetzen erleichtert.
- Der Transfergurt kann bei der Fortbewegung unterstützen, dient aber auch als Hilfe bei der Positionierung.
Anpassung des Wohnraums
Auch der Wohnraum spielt bei der optimalen Mobilisation nach kinästhetischen Grundsätzen eine Rolle. Schauen Sie sich in den Räumen gezielt um und fragen Sie sich:
- Stehen alle Hilfsmittel (zum Beispiel Rollator, Badewannenlift, Umsetzhilfen) bereit, die die Mobilisation unterstützen können?
- Gibt es eine ausreichend große Stehfläche für Sie beziehungsweise können Sie den Pflegebedürftigen gut erreichen bzw. stützen?
Kinästhetische Mobilisation: Weiterbildung für Pflegepersonen
Zur richtigen Mobilisation Ihres Angehörigen müssen Sie als pflegender Angehöriger Mobilisationstechniken und geeignete Handgriffe zur Bewegungsförderung kennen. Vor allem die Umsetzung nach kinästhetischen Grundsätzen erfordert von Ihnen viel Wissen und Übung.
In der Regel gibt es kein festgelegtes Schema, nach dem Sie vorgehen können. Sie reagieren vielmehr auf die individuellen Herausforderungen Ihres pflegebedürftigen Angehörigen. (5)
Vor der Mobilisation sollten Sie sich daher fragen:
- Können Sie die Beweglichkeit aufbringen, die bei einer Mobilisation verlangt wird?
- Kennen Sie den sachgerechten Gebrauch von Hilfsmitteln, die eine Mobilisation unterstützen können?
- Kennen Sie die Prinzipien des rückenschonenden Arbeitens oder Konzepte wie Bobath oder Kinästhetik?
Geeignete Techniken und Handgriffe können Sie beispielsweise in den bereits erwähnten kostenlosen Pflegekursen erlernen. Die Pflegekassen, Krankenkassen, Wohlfahrtsverbände und ambulante Pflegedienste bieten spezielle Kurse an. Dort wird Ihnen beispielsweise vermittelt, wie Sie die Kinästhetik zur Mobilisation nutzen oder wie Sie Hilfsmittel gezielt einsetzen können. (6)
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